frau steht an tür

Gülay Toprak: „Ich bin der Zombie unter den türkischen Friseuren“

„Ich bin der Zombie unter den türkischen Friseuren.“

Eine Begegnung mit Gülay Toprak vom Kult-Salon „Mythos“

„Türkisch und ein Friseur zu sein, das ist ein Superklischee, ich weiß. Aber ich entspreche dem gar nicht. Ich bin der Zombie unter den türkischen Friseuren in Köln“ sagt Gülay Toprak. Sie ist die Inhaberin von „Mythos – Hair & Style“ an der Ecke Händelstraße/Richard-Wagner-Straße und erzählt:

„Ich bin seit 2010 mit dem Laden hier an der Händelstraße, davor war ich seit 1995 im Eigelsteinviertel. Dort wurde mir gekündigt, weil das Haus aufgewertet und teurer vermietet werden sollte. Ich mochte es am Eigelstein. Da hast du noch das Gefühl, das ist ein Viertel, die Menschen kennen und grüßen sich. Und es ist multikulti. Da ich aus dem bunten Mülheim komme, war mir das wichtig.

Ich bin ein Müllemer Mädche. Ich bin die erste Generation, 1967 geboren, meine Eltern kamen aus der Türkei als Gastarbeiter. Als ich in den Siebzigerjahren eingeschult wurde, gab es in der Klasse einen einzigen Türken außer mir. Man hat uns nebeneinander gesetzt. Nach dem Motto: Das ist doch schön für die beiden. Hat aber gar nicht geklappt. Wir haben uns mit Stiften angemalt und wurden auseinandergesetzt und haben uns erst in der vierten Klasse wieder vertragen.

Meine Mutter und meine beiden älteren Geschwister verbringen jetzt wieder mehr Zeit in ihrer türkischen Heimat, als hier. Das werde ich nie machen. Ich fühle mich hier viel mehr zu Hause. In der Pubertät hatte ich Identitätsprobleme. Ich habe gedacht, ich müsste mich für eine Identität entscheiden. Aber da gibt es nichts zu entscheiden. Mensch ist Mensch und ich habe kein nationales Gefühl. Im Endeffekt bin ich ein Weltmädchen.

Engagement bei der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim: Kochen als Kapitalismuskritik

Jetzt wohne ich in der Innenstadt, in der Nähe vom Laden. Aber einmal die Woche arbeite ich ehrenamtlich bei der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM). Das ist eine Kommune, die sich seit 1979 hält, weil alle Beteiligten wirklich für die Sache kämpfen. Ich koche da und schneide Haare gegen Spenden. Zu sehen, dass so ein Projekt funktioniert, tut mir gut. Ich sehe den Kapitalismus sehr kritisch, aber ich weiß, dass ich auch ein Teil davon bin. Ich bin froh, einen Ausgleich zu haben.

Ich wollte nicht immer schon Friseurin werden. In der Schule habe ich gedacht, alle Friseurinnen haben einen Freund mit Manta und Dauerwelle. Klischee eben. Und das wollte ich nicht. Ich war gut in Bio, Chemie und habe mich immer für Haut interessiert. Also bin ich Kosmetikerin geworden, aber das war mir irgendwann zu langweilig. Dann wollte ich Maskenbildnerin werden. Da muss man aber eine Friseurlehre machen, dazu habe ich mich dann durchgerungen. Als Kosmetikerin habe ich immer alleine gearbeitet. Aber in einem Friseurbetrieb muss man sich die Arbeit teilen und du kannst dein Handwerk weitergeben, an Praktikanten, Auszubildende. Das ist schön.

Den eigenen Laden habe ich eröffnet, weil ich frei sein wollte. Ich hatte früher viele Ideen, da haben mir meine Chefs alle ein Vögelchen gezeigt. Wenn ich etwas Soziales im Laden machen wollte oder eine Vernissage. Ich arbeite im „Mythos“ oft mit aufstrebenden Künstlern zusammen. Ich habe einen Kurator hier, der sehr penibel aussucht. Da mische ich mich nicht ein. Ich sage nur manchmal: Geht das nicht schneller?

Warum Horror-Deko im Friseursalon einfach dazugehört

Wie ich meinen Stil beschreiben würde? Also, ich bin nicht Gothic, ich bin auf jeden Fall Gülay. Aber ich mag die dunkle Seite des Lebens. Ich habe das ganze Jahr über immer so etwas witzige Horror-Deko im Laden. Plastikschädel, Luftballon-Skelette, Horrorpuppen. Das kommt aus einer Zeit, in der ich oft in London war. Die makabren Geschichten aus dem alten London gefallen mir und ich mag den Steam-Punk-Stil. Ich mag das Okkulte, Mystische, Magische.

Mit den Kollegen von Art of Dark habe ich in Köln mal einen Zombie-Walk veranstaltet; eine Demonstration bei der alle Teilnehmer als Zombies verkleidet sind. Wir haben das als Demo gegen Kapitalismus gemacht. Die Idee kommt aus den USA. Es ist ein friedlicher Umzug, der aber gewalttätig aussieht. Das ganze Kunstblut ist ein Mittel, um Menschen aufmerksam zu machen. Vorher habe ich ein Seminar gegeben und den Teilnehmern gezeigt, wie sie sich als Zombies schminken. Das würde ich gerne wiederholen. Ich würde auch supergerne einen Zombiefilm drehen, das wäre mein Traum. Einen Film zu machen für die Ewigkeit.“