Mann sitzt auf Anker

Patrick Rieve von „St. Patrick’s Zine Library“: „Man weiß nie, was einen erwartet.“

„Man weiß nie, was einen erwartet.“

Patrick Rieve spricht über seine Kunst und Liebe und Leerstand in Mülheim

Patrick Rieve (45) ist Künstler, wohnt in Mülheim und produziert und vertreibt Zines. Das sind handliche Hefte voller experimenteller Zeichnungen und Texte, die in kleiner Auflage erscheinen. Seinen Ausgleich findet er auf dem Land. Dort geht er noch einer ganz anderen Arbeit nach.

„Wenn man ein Zine aufschlägt, weiß man nie genau, was einen erwartet. Es gibt so viele unterschiedliche Formate, Materialien und Bindungen. Das fasziniert mich. Unter den vielen verschiedenen Publikationen, die Mark Pawson produziert, gibt es ein Heft, für das er Papierreste seiner eigenen Produktionen sammelt und zu einem Heft zusammenstellt. Das ist optisch und haptisch hochinteressant. Ja, die Szene ist etwas anarchisch, es gibt schon schräge Sachen. Mich reizt, dass dort Innovationen stattfinden. Manche Comics, die heute kommerziell erfolgreich sind, gab es zuerst als Zines.

Ich habe in den Neunzigerjahren angefangen, eigene Hefte zu produzieren, zum Beispiel einen düsteren Comic, der in einer Stadt voller Smog spielte. Die habe ich bei Punk-Konzerten in Köln unter die Leute gebracht. Fugazi oder Bad Brains, das waren typische Bands, die das passende Publikum hatten.

Alles begann mit einem düsteren Comic

Die Hefte habe ich damals entweder verkauft oder getauscht. So hat sich entwickelt, dass ich Publikationen anderer Künstler aus aller Welt sammle, es sind jetzt mehrere Tausend. Mit meiner Sammlung, der „St. Patrick’s Zine Library“, bin ich regelmäßig bei Messen wie der Cologne Art Book Fair unterwegs. Die Szene ist sehr lebendig. Du gibst etwas auf Papier raus und ganz oft kommt etwas zurück. Für mich geht es bei den Zines eigentlich immer um Kommunikation. Jemand wollte mal von mir wissen, wie man Comics zeichnet. Wir haben uns etwas unterhalten und ein Jahr später hatte ich sein fertiges Werk im Briefkasten.

Als Bibliothekar bin ich sehr genau und als Künstler ebenfalls. Ich beobachte sehr präzise und ich zeichne mit klaren Linien. Oft zeichne ich Räume, weil mich Architektur interessiert und wie Menschen Räume verändern. In einer Langzeitstudie habe ich mal alle zwei Wochen mein WG-Zimmer gezeichnet, mit all den Gegenständen, die in der Zwischenzeit ihre Position gewechselt haben.

Warum Patrick gerne in Köln-Mülheim lebt

Nach meinem Studium in Hamburg bin ich der Liebe wegen nach Köln-Mülheim gezogen. Der Brunnen auf dem ich hier sitze, das ist für mich der verrückteste Brunnen von Köln. Ich mag den Anker. Die Straße runter gibt es das Limes, da bekomme ich sogar gezapftes Hamburger Bier. Ich lebe seit zehn Jahren hier und ich freue mich auf die nächsten zehn Jahre. Mülheim wandelt sich, man bemerkt es jetzt schon. Läden stehen leer, sind nicht mehr leicht zu vermieten und dann gehen junge Gestalter in den günstig zu bekommenden Leerstand.

Die Hoheit über meine Kunst zu haben, ist mir wichtig. Deswegen verlege ich selbst. Diese Selbstständigkeit spielt auch eine Rolle bei meiner anderen Arbeit. Ich pflege Obstwiesen im Kölner Umland. Aus den Äpfeln, die ich ernte, wird unter anderem ein Apfelsaft gemacht. Das ist ein Produkt, zu dem ich ganz viel beitrage. Und weil unter den Obstbäumen viele alte Sorten sind, die durch mich genutzt werden, bleibt diese natürliche Vielfalt auch geschützt.“

Hier geht es zum Facebook-Profil von Patrick Rieve. Noch bis 21. Oktober 2017 sind Arbeiten von Patrick Rieve in der Kölner Artothek zu sehen. Hier geht es zur Homepage des Zine-Machers Mark Pawson, den Patrick sehr schätzt.